top of page
Image by Galina N
AutorenbildWir für Foteinis Fellnasen e.V.

Hunde wie Noel ...



Noels Geschichte geht mir nicht aus dem Kopf. Insbesondere bewegt mich dabei ein Kommentar unter dem Beitrag zu seiner Sicherung.

„Was muss der arme Hund erlebt haben, dass er solch eine Angst hat?“

Was hat er erlebt? Außer dass er auf der Müllkippe geboren wurde und dort als Welpe gerettet wurde, ist ihm nichts Schlimmes widerfahren. Ihm ging es gut, er wurde versorgt und geliebt – und auf vielen Fotos sieht man ihm an, wie er entspannt und glücklich ist.

Natürlich erklärt sich schon so manches von selbst. Über Jahre lebt ein solcher Hund von allen möglichen Umwelteindrücken abgeschottet. Er kennt keine unserer Alltäglichkeiten. „Reißt“ man ihn dort raus, ist das erst einmal ein regelrechter Kulturschock. Alles was bisher sicher erschien verschwindet von einer Minute auf die andere. War das Umfeld vorher durch die Anwesenheit vieler anderer Hunde geprägt, die im Rudel ein Gefühl von Sicherheit und Gemeinsamkeit vermitteln, stehen sie im neuen Zuhause urplötzlich ohne tierische Begleitung da und sollen zudem wildfremden Menschen vertrauen, obwohl sie über Jahre hinweg fast immer nur in dieselben Gesichter geschaut haben. Das alleine ist schon Grund genug, um aus einem solchen Hund, der sich im Gehege als freundlich und zutraulich zeigt, ein Angstbündel werden zu lassen.

In solchen Fällen ist ganz viel Geduld gefragt! Aber Geduld ist bei weitem nicht alles was wichtig ist, sie trägt nur Früchte, wenn auch das Einfühlungsvermögen stimmt. Ob und wie das geleistet werden kann, liegt natürlich immer auch in der ganz persönlichen Geschichte der Adoptanten. Nicht jeder ist für eine solche Situation gemacht und wer so etwas schon einmal erlebt hat, weiß wie groß eine solche Herausforderung sein kann …

Mit dem Gedanken, Geduld zu haben, daran zu arbeiten, kann also genauso viel falsch wie richtig gemacht werden. Aber in einem bin ich mir sicher. Wenn es passt, dann gibt man nicht auf, dann kämpft man und versucht alles Menschenmögliche. Wenn es nicht passt, wird es zum Krampf für Hund und Mensch – den „Hund“ habe ich hier bewusst an erste Stelle gesetzt. Denn letztlich geht es im Tierschutz doch um das Wohl des Tieres.

Passiert so etwas aber wie bei Noel und der Hund läuft wegen einer Unachtsamkeit aus dem Haus, geht der Fingerzeig sofort zum Adoptanten.

Aber wie wäre es, sich eine solche Geschichte mal aus einer ganz anderen Perspektive anzuschauen?

Denn, wenn man dem Adoptanten keine Schuld zuschreibt, geht der Fingerzeig zur Vorkontrolle, zum vermittelnden Verein, oder sogar zum Tierschützer vor Ort, weil er seinen Hund angeblich falsch beschrieben hat.

Die Strecke kann man zurückverfolgen wie man möchte, man findet schon jemandem, dem man die Schuld geben kann.

Aber was ist, wenn jeder dieser Menschen sein Bestes gegeben hat? Eigentlich wollte doch jeder von ihnen, dass ein Hund aus dem Tierschutz in ein schönes Zuhause gelangt.

Der eine hätte genauer hinsehen müssen, der andere hätte mehr hinterfragen müssen, hier wäre mehr Geduld nötig gewesen, der andere hätte seinem Bauchgefühl trauen sollen…

Ein Haufen Schuldiger oder alles nur Menschen, die in diesem Moment einfach nur Mensch waren und eigentlich nur das Beste für einen Hund wollten?

Natürlich geht das zu Kosten des Hundes!

Aber wo fängt man da an?

Wäre er als Welpe in einem harten Winter auf der Müllkippe geblieben, wo er geboren wurde, hätte er dann überlebt oder wäre er gestorben?

Sind wir nicht alle dankbar, dass er überlebt und in sicherer Umgebung aufwachsen durfte? Hätte er aber draußen überlebt, wäre er vielleicht sogar draußen glücklicher gewesen? Ganz ehrlich? Wir wissen es nicht, wir gehen „nur“davon aus!

Aber gehen wir davon aus, das alles so passiert, wie es passieren soll, war das genau sein Weg! Sonst wäre er nicht gesehen worden, sonst hätte es diese Entscheidung, ihn zu retten nicht gegeben.

Die Verantwortung dahinter ist eine sehr große! Und wir können alle nur das tun, was uns als am besten erscheint!

Foteini schrieb mir mal, dass sie solch freigeborene Hunde nicht gerne aus der Umgebung reißt und sie lieber vor Ort versorgt, weil sie sich häufig, auch wenn sie schon als Welpe zu ihr kommen, als sehr scheu erweisen.

Und auch das hat natürlich seinen Grund! Es steckt ihnen in den Genen!

Als es hieß, dass Noel ein Zuhause gefunden hat, machte mir das ehrlich gesagt Angst! Ich war sofort in Sorge und dache, hoffentlich geht das mal gut! Und das obwohl ich Noel immer als den zugänglichsten seiner Geschwister wahrgenommen und am ehesten als vermittelbar angesehen habe. So habe auch ich mir immer ein schönes Zuhause für ihn gewünscht.

Und auch ich hatte den Fingerzeig auf Menschen, die „mir“ nicht gut genug hingeschaut haben.

Aber wie weitreichend können diese denn hinschauen?

Er wurde in eine für ihn eigentlich passende ländliche Umgebung vermittelt. Ein Art Bauernhof mit viel Natur drum herum. Da wurden sich doch schon die richtigen Gedanken gemacht, oder? Mehr kann ich dazu gar nicht schreiben, denn was weiß ich denn schon darüber?

Für Noel aber passte es nicht – gehe ich davon aus, dass alles nach seinem Seelenplan verläuft. Also befreite er sich aus dieser Situation!

Er konnte gesichert werden, wofür ich sehr dankbar bin, also ist es in unseren Augen noch einmal gut gegangen. Aber wäre es anders gekommen, wäre auch das sein Seelenplan gewesen – nur diesen schmerzenden Gedanken möchten wir natürlich nicht annehmen. Wer denkt schon gerne über Tod und Verlust nach?

Wollen wir etwas in nicht annehmen, neigen wir dazu uns wieder in Urteile bzw. Verurteilungen zu verstricken.

Diese ganze teilweise bösartige Energie hat mich mal wieder so getroffen, so berührt, dass ich überlegt habe, mich komplett aus dem Tierschutz zurückzuziehen – und ich denke noch darüber nach. Ich weiß, dass all dies nur aus Angst geschieht. Wut entsteht immer nur aus einer Angst heraus. Und genaugenommen ist auch das in Ordnung, denn jeder geht anders mit solchen Situationen um. Jeder verarbeitet es anders, jeder hat seine eigenen Gefühle zu solchen Geschichten, bzw. seine eigenen Themen zu verarbeiten, die sich in solchen Situationen tief im inneren bemerkbar machen und angeschaut werden wollen.

Zurück zu Noel …

Ich überlege die ganze Zeit, ob man das hätte vermeiden können und vor allem was mein ganz persönlicher Beitrag zu seiner Geschichte war.

Wie stelle ich die Hunde dar, wenn ich sie auf unserer Facebook Seite poste? Vermittele ich da nicht einen falschen Eindruck? Hätte ich verhindern können, dass dies geschieht, wenn ich Noel anders beschrieben hätte? Aber wie soll ich ihn anders beschreiben als den Hund, den ich bei Foteini wahrnehme?

Ich selbst habe ihn immer im Vergleich zu seinen Geschwistern gesehen und mir auch Gedanken über seine Herkunft gemacht. Aber weiß ich, wie sich das letztendlich bei Vermittlung entwickelt?

Nein, wir vermitteln nicht und sind für die Schritte zur Vermittlung nicht zuständig! Aber kann ich mich damit aus meiner ganz persönlichen Verantwortung ziehen?

Ich schreibe von einem Schmusebär, der er ja auch ist, und nach seiner Vermittlung kommen zu dem oben angesprochenen Kulturschock vielleicht noch seine genetisch bedingten Traumata zum Vorschein – wie kann ich das wissen? Wie weit reicht meine Verantwortung?

Ich hadere im Moment sehr damit!

Noch mal zu dem Satz, was ist diesem armen Hund nur zugestoßen, dass er solche Angst hat?

Er wurde geboren!

Er wurde von einer Hündin geboren, die schon auf der Müllkippe aufwuchs, denn auch seine Oma stammt von der Müllkippe. Ob diese dort ausgesetzt wurde, oder auch schon dort das Licht der Welt erblickte weiß ich nicht. Was erlebten diese Hunde? Was hat er davon „mitgenommen“? Ihm ist nie was Böses zugestoßen, aber vielleicht sollte die Frage heißen, was stieß seinen Vorfahren zu?

Nun las ich kürzlich einen Roman, bei dem es um vererbte Traumata ging, was mich auch in Hinsicht auf solche Hunde beschäftigt.

Wie oft sagt man, sie haben die Angst schon im Blut, sie haben es in den Genen? Ich habe mich jetzt nicht mit Quellensuche beschäftigt, ob es das auch beim Hund gibt, denn für mich fühlt sich das wahr und richtig an, dass das auch bei den Tieren so ist.

Bei einem Hund wie Noel, der plötzlich aus seiner wohlbehüteten Welt in ein komplett anderes Leben reist, lässt sich genau ein solches genetisches Traumata vermuten – seine Brüder zeigen es eher nach außen, konnten es selbst in sicherer Umgebung nie ganz ablegen.

Menschen, die mit solchen traumatischen Geschichten zu kämpfen haben, finden mit sehr viel Glück den passenden Psychologen oder Psychiater – und das gestaltet sich oft schon als schwierig.

Bei den Tieren „bestimmen“ wir, was aus ihnen werden soll!

Und vielleicht sollten wir anstatt auf Adoptanten, auf Vorkontrollen, auf Vereine einzuschlagen, mal darüber nachdenken, in wie weit wir eine solche Situation mit allen Aspekten tatsächlich beurteilen können!

53 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments

Rated 0 out of 5 stars.
No ratings yet

Add a rating
bottom of page