top of page
Image by Galina N

Die Prinzessin

Eine Geschichte von Johanna Hirt, der Autorin von "Ein Leben für Merlin" und "Bertil frei Schnauze".


Die Prinzessin


Einer alten Legende nach, die fast schon vergessen ist, lebt irgendwo auf dieser Welt eine ganz besondere Prinzessin. Es wird erzählt, sie sei immer sanft und demütig und trage einen großen Zauber in sich, den Zauber der Sanftmut. Wer ihn erkennt, der wird von ihm berührt und vermag selbst hinter die Geheimnisse der wahren Dinge zu schauen.

Die Prinzessin gibt diese Gabe immer an eine ihrer Töchter weiter, so dass sie niemals verloren geht. Und so gibt es zu jeder Zeit irgendwo auf dieser Welt eine solche Prinzessin.


In alten Zeiten wurde die Prinzessin sehr verehrt und die Menschen und Tiere lernten von ihr. Man sprach ihr zu, etwas Besonderes zu sein und mutmaßte, dass sie von Gott geweiht sein musste. Deshalb nannten viele sie sogar eine Heilige. Aber irgendwann begannen die Menschen sich anderen Dingen zuzuwenden und glaubten, dass Stärke und Macht größere, mächtigere und bessere Gaben seien. Sie begannen, materielle Dinge anzuhäufen und wurden dabei immer gieriger. Manch einer schrak nicht davor zurück, dabei andere auszubeuten oder ihnen sogar Schaden zuzufügen und viele Menschen begannen, auf Kosten anderer zu leben. Auf Kosten anderer Menschen, aber noch viel mehr auf Kosten anderer Tiere und Pflanzen. Und dabei sprachen sie anderen Lebewesen niedere Wertigkeiten zu, um ihr Tun zu rechtfertigen. Im Laufe der Zeit wurde es immer ärger. Die Menschen vergaßen Werte wie Güte, Nächstenliebe, Fürsorge und sogar Liebe. Und irgendwann gab es viel Habgier, Kälte, Gewalt und sogar Freude an Demütigung und dem Leid anderer.


Wir Menschen stellen uns Prinzessinnen meist vornehm vor, in unseren Gedanken wohnen sie in prachtvollen Schlössern, essen von ausgesuchtem Porzellan mit goldenen Löffeln und tragen wertvolle Kleider. Aber diese – wahre – Prinzessin wohnte nie in einem Schloss und trug auch keine feinen Kleider, sondern lebte immer sehr einfach und bescheiden. Eine Jede hielt stets an ihren alten Werten fest, um sie zu bewahren und ehrte alles Leben und jedes Lebewesen. Jedes Leben war und ist für sie gleichwertig, ganz egal, ob es das Leben eines Menschen, eines Wurms, einer Fliege oder das von Unkraut ist.

Weil wir uns heute Prinzessinnen in schönen Kleidern und mit teuren Geschmeiden vorstellen, haben wir längst verlernt, die Prinzessin zu erkennen und immer mehr wird sie übersehen und vergessen. So weiß heute kaum noch jemand, dass sie ein ganz besonderes Zeichen trägt, das sie an ihre Kinder weitergibt. Diese Kinder sind Seelenkinder, und so erscheint jede neue Prinzessin in einer ganz anderen Gestalt als ihre Mutter.




Nun kam es, jetzt, in unserer heutigen Zeit, dass die Machenschaften der Mächtigen und Grausamen, der Seelenlosen und Bösen immer schlimmer wurden und immer noch werden. Sie rauben und morden, sie betrügen und quälen und schänden und noch viel Furchtbares mehr. Und dabei erheben sie sich über alles und jeden. Sie bestimmen willkürlich über Leben und Tod, über Gefangenschaft und Freiheit. Tiere beuten sie aus, quälen sie, fügen ihnen Schmerzen zu und halten sie gefangen, manchmal auch nur, um ihre eigene Macht zu demonstrieren oder sie als Prügelknabe für ihre eigene Unzufriedenheit zu benutzen. Denn glücklich machen weder Macht noch Geld.

Und so ging es auch einer kleinen Hündin. Wir wissen nicht genau, was mit ihr geschah, sicherlich wurde sie gequält, geschlagen, angekettet oder im Keller eingesperrt, wurde gedemütigt und vielleicht noch viel Schlimmeres. Wahrscheinlich wurde sie auch öfter vergewaltigt, weil sie sich nicht gegen andere Hunde wehren konnte, die ihr zu nahekamen. Ihre Kinder nahm man ihr sofort nach der Geburt weg, wahrscheinlich brachte man sie um. Die kleine Hündin zog sich in selbst sich zurück, wehrte sich nicht und lebte ständig in Angst und Schrecken. Sie konnte nichts anderes tun, als alles über sich ergehen lassen, was ihr geschah. Und dabei verlor sie jede Hoffnung.

Doch eines Tages, als sie wieder einmal guter Hoffnung war, gelang ihr die Flucht oder vielleicht wurde sie auch hinausgeworfen, weil ein anderer Hund ihren Platz einnahm – wir wissen es nicht. Es gelang ihr, den Menschen aus dem Weg zu gehen, und fortan lebte sie ein Leben auf der Flucht und in Verstecken. Dort brachte sie auch ihre Kinder zur Welt. Die Kleinen hatte sie vor den Bösen verborgen, aber sie selbst konnte nun nicht mehr fliehen, weil die kleinen Hunde-Kinder ihr noch nicht folgen konnten. Sie musste jedoch ihr Versteck immer wieder verlassen, um Nahrung zu suchen. Eines Tages, ihre Kinder waren noch immer sehr klein, da kam ein großes Auto mit Männern darin. Brutal überwältigten sie die kleine Hündin, nahmen ihr abermals ihre Welpen, brachten sie zu einem Gefängnis und warfen sie dort in eine karge dunkle Zelle. Es war eine Todeszelle! Denn jeder Hund, der dieses Gefängnis betrat, sollte es nie wieder lebend verlassen, sondern einen grausamen Tod sterben.


Zu dieser Zeit führte das Schicksal eine Menschenfrau aus einem anderen Land in genau dieses Gefängnis. Diese Frau ist eine Berühmtheit, aber sie hat sich ihr gutes Herz bewahrt. Sie ist bescheiden geblieben und nutzt ihren Ruhm, um geschundenen und gequältem Tieren zu helfen. Sie weiß um diese furchtbaren Machenschaften und setzt immer wieder ihre ganze Kraft ein, um möglichst viele Hunde und auch andere Tiere aus solchen dunkeln Kerkern zu befreien. Sie schickt nicht etwa Bedienstete dorthin, nein, die Frau geht selbst in die schauerhaften Gefängnisse, auch wenn das Grauen sie dort jedes Mal furchtbar mitnimmt, so dass sie oft tagelang weint und von schlimmen Bildern gequält wird. Nun haben gute Menschen, selbst wenn sie berühmt sind, oft zu wenig Macht, um Bestimmungen der allzu Mächtigen zu ändern. Aber der guten Frau gelang es zu jener Zeit, wenigstens ein paar Hunde aus dem Gefängnis freizukaufen. Unter ihnen war auch die traurige Hündin, in deren Augen alle Hoffnung erloschen war. So geschah es, dass sie, und mit ihr einige andere Hunde, aus ihren Zellen geführt wurden. Nun hatten es die Hunde schon oft erleben müssen: Wenn einer aus seiner Zelle geführt wurde, bedeutete dies einen qualvollen Tod – sie konnten es jedes Mal hören, riechen und fühlen und jedes Mal griff eine furchtbare Angst um sich. Der Geruch des gewaltsamen Todes setzte sich tief in ihren Fellen fest und das Grauen in ihren Seelen. So oft mussten sie es mitansehen. Todesangst machte sich nun breit, als sie selbst abgeholt wurden. Doch die Hunde wurden in ein weiteres Auto mit vielen Käfigen geladen. Dort saßen sie nun, wieder gefangen, und diesmal waren die Käfige in dem dunklen Raum sogar übereinandergestapelt. Irgendwann im Morgengrauen setzte sich das große Gefährt in Bewegung. Viele Stunden vergingen, in denen keiner der Hunde wusste, was ihm bevorstand. Immer wieder hielt das Fahrzeug an, dann ging es weiter und weiter – scheinbar endlos. Wohin würde sie diese Reise führen?

In einem anderen Land, in genau jenem Land, in dem auch die gute Retterin wohnt, weit entfernt vom Gefängnis, in dem die traurige Hündin und viele andere auf ihren Tod gewartet hatten, leben auch eine andere Frau und ein Mann. Wie es der Zufall wollte, soweit man an Zufälle glauben mag, hatte diese Frau von der Rettung dieser Hunde erfahren und auch ein Bild der traurigen Hündin gesehen. Auch sie hatte sich ihr Mitgefühl bewahrt und – wie die Retterin – noch Liebe in ihrem Herzen. So wollte auch sie gerne helfen. Die traurigen Augen dieser Hündin schienen ihr eine Geschichte zu erzählen, die die Frau und dann auch den Mann auf seltsame Weise berührte und nicht mehr losließ. Und als das Auto mit den vielen Käfigen im Land der beiden Retter-Frauen ankam, da nahmen diese Frau und ihr Mann die kleine Hündin zu sich, um ihr ein Zuhause zu geben und sie in ihre Familie als gleichwertiges und geliebtes Familienmitglied aufzunehmen.

Die kleine Hündin jedoch hatte so viel Schlimmes erlebt, dass sie nicht mehr an eine solche Wende ihres Schicksals glauben konnte. Und so dauerte es viele Monate, bis sie ihrer neuen Familie nur ein klein wenig Vertrauen schenken konnte – auch heute noch ist das sehr schwer und vieles noch nicht möglich, zu groß sind die Verletzungen der kleinen großen Seele. Aber ihre Menschen freuen sich über jedes noch so kleine Leuchten in den Augen der kleinen Hundedame, und ganz langsam verschwindet die Traurigkeit darin. In der ersten Zeit hatte die Hündin so viel Angst, dass sie von den Menschen nicht angefasst werden wollte, sie wollte, dass diese Abstand halten, und verkroch sich in einem Eck. Die Menschen wussten, dass die Hündin Zeit braucht und gaben ihr ihren Freiraum und bedrängten sie nicht. Sie versuchten, ihre Bedürfnisse zu erkunden und diese zu achten und der Hündin zu zeigen, dass sie ihr Vertrauen nie missbrauchen würden und ihr Platz in der Familie der eines geachteten und respektierten Mitglieds ist. Und weil sie immer Abstand hielten und die Hündin zudem sehr langes Fell hat, bemerkten sie auch nicht sofort, dass die Füße der Hündin seltsam aussehen. Ihre hinteren großen Zehen sind nämlich doppelt vorhanden und merkwürdig verwachsen. Als die Frau dies eines Tages entdeckte wusste sie plötzlich – obwohl sie nie zuvor davon gehört hatte – dass dies das Prinzessinnenzeichen sein musste! Die Menschen hatten die kleine Hündin, die bescheiden, sanft und demütig ist, und keiner Rasse anzugehören scheint, so dass dumme Menschen sie vielleicht sogar einen Straßenköter nennen würden, instinktiv Holly genannt – als „fröhliche“ Form des Wortes Holy – heilig, geweiht, gottgefällig. Und nun wussten sie ganz sicher, dass sie die wahre Prinzessin gefunden hatten.


Es wird vermutet, dass es auf dieser Welt noch viele, viele andere Prinzen, Prinzessinnen, Feen und andere ganz besondere Wesen gibt. Heutzutage kommen sie oft in Gestalt von Tieren und Pflanzen auf die Erde. Leider haben viele Menschen die Gabe, sie zu erkennen verloren. Aber wenn DU genau hin-siehst, hin-fühlst und dich auf ein Wesen einlässt, wirst du ganz sicher auch von diesem Zauber berührt …



Wir bedanken uns bei Johanna Hirt, dass wir ihre Geschichte hier bei uns veröffentlichen dürfen!

Johanna Hirts Bücher sind über unseren Shop erhältlich:

Bertil frei Schnauze

Ein Leben für Merlin


13 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Der Kettenhund

bottom of page